MÖBELSTADT

DIE WILSDRUFFER MÖBELINDUSTRIE

(Bericht aus dem Jahr 1929)
Die Wilsdruffer Möbelindustrie hat eine sehr lange Vergangenheit. Schon länger als 100 Jahre war das Tischlerhandwerk in Wilsdruff recht ausgebreitet, es wurde z.B. schon 1806 eine Innung gegründet, die heute noch besteht. Die Fabrikate, meist Möbel aus Kiefer oder Fichte hatten damals fast ihren einzigen Absatz in der nahen Residenzstadt Dresden und wurden mit Pferdewagen und auch zum Teil mit Handwagen befördert.


Die meisten Abnehmer in Dresden bezogen die Möbel roh und ließen sie selbst lackieren. In dieser Weise ging es bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts, wo dann die Maschinen sich mehr ihren Eingang verschafften, da es in der Möbelfabrikation eine Wendung gab. Die durch die Anlage des Bahnnetzes an Wilsdruff ihre lebhafte Förderung fand.

Den Wert der Maschinen erkannte in Wilsdruff wohl zuerst der damaligen Besitzer der sog. „Ratsmühle“, einer Mahlmühle mit Wasserbetrieb, Herr Theodor Müller. Er stellte schon ca. 1870 Möbelteile wie Füße Kopfstücke, Kapitäle und andere Sachen maschinell her und verkaufte sie an die Tischler, sah aber bald ein, dass es vielleicht ratsamer sei, auch Möbel selbst herzustellen. Zunächst machte er das in der Weise, dass er Kraft und Raum an einen Unternehmer verpachtete und zwar an einen Herrn Julius Wertschütz, den späteren Begründer der Fabrik in Ottendorf Okrilla.

Dieses Pachtverhältnis erwies sich nicht als ersprießlich und so kam Müller dazu, den Betrieb wieder für sich zu nehmen und auf seine Rechnung mit Aufstellung noch mehrerer Maschinen ihn selbst zu betreiben, und fand in seinem Werkführer Koch, den späteren Mitinhaber der Firma Koch & Kiessing in Radeberg, gute Unterstützung.

Der Betrieb der Firma Th. Müller entwickelte sich immer mehr und es reichte schon nach kurzer Zeit die Wasserkraft nicht aus, sodaß von 1881 an schon eine Dampfanlage den größten Energiebedarf geben musste, die dann nach einigen Jahren schon verstärkt wurde. Herr Theodor Müller ist dann auch wohl mit Recht als der Begründer der Wilsdruffer Möbelindustrie mit Kraftbetrieb anzusprechen. Dieser Betrieb ist im Jahr 1929 imBesitz von Wilhelm Sinemus, der seit 1907 Mitinhaber war und seit 1915 alleiniger Inhaber war.

Schon Anfang 1880 gründete sich dann die Firma Kuhlmann, wo später C. Klemm, dann Friedrich und heute seit 1904 Gebr. Müller firmiert wird. Dann Anfang 1880 die Firma Hausner, die später umfirmierte in Eger & Koch und heute noch besteht und seit 1908 im Besitz des Herrn Herm. Schmietz ist Ferner gründeten sich Th.Porsch, deren Inhaber sich durch seine patentierten Aufwaschtische einen Namen gemacht hat, und wo seit 1920 Herr Georg Schlesinger Inhaber ist. 1909 ging die Firma Bernhard Hofmann, Drechslerei und Bildhauerei ein. Danach betreibt Her Emil Weinhold, dessen Firma 1907 von ihm gegründet wurde in den vergrößerten Räumen eine Möbelfabrik. Weiter besteht noch die Firma Artur Eckelt seit 1904.

Als kleinere Unternehmen sind noch zu nennen Firma Robert Geißler und Georg Heeger, die nur echte Sachen herstellten und dann ferner Erwin Vogel, Otto Vogel, Oswald Vogel, A.Seiffert, Paul Christmann, Richter & Lindner, Heinrich Ranft, Hermann Ranft, Adolf Schlichemaier, Theodor Günther, Barthold & Co., A.Schreiber.

Es wurden hauptsächlich lackierte Möbel hergestellt, vom einfachsten bist zum feinsten Genre, in farbigen und weißer Lackierung und der Absatz erstreckte sich über ganz Deutschland z.T. noch darüber hinaus.

In der Zeit der fabrikationsmäßigen Herstellung sind wohl wechselvolle Zeiten durchgemacht worden. Die Jahre bis zur Jahrhundertwende waren im Allgemeinen gut, wenn auch bei dem einen oder anderen Betriebe durch außergewöhnliche Einflüsse die Rentabilität nachließ.

Die Zeit des Anfangs des 19. Jahrhunderts war nicht immer so günstig und es wurde auch durch einen großen Streik, die fortlaufenden Fabrikation gestört. Auch 1911 gab es einen Streik, der etwa 12 Wochen dauerte.

1914 kamen nun die Auswirkungen des Krieges, es war mit dem Absatz von Möbeln vorbei und man musste sich nach Militäraufträgen umsehen, die meist spärlich zur Verteilung kamen. Es wurden gebaut: Schlitten für den Feldzug nach Russland, Geschoßhauben, Geschosskästen und Zündkästen u.s.w., bis 1916 der Absatz an Möbeln wieder einsetzte.

Nun fehlte es an Tischlern und Maschinenarbeitern, denn wer gesund war stand noch im Felde und der Bestand an brauchbaren Leuten reichte bei weitem nicht aus.

Nicht unerwähnt möchte ich die Beihilfe der Frauen lassen die von 1915 bis 1918 in weitgehendsten Maße ihre Kräfte zur Verfügung stellten und sogar an den Maschinen das Möglichste leisteten.

Vom Herbst 1918 setzte eine geordnete Tätigkeit wieder ein mit lebhaften Geschäftsgang, der nun immer weiter seit dem Erscheinen der Inflationseinflüsse mit diesen in Berührung kam und so meistens zum Unheil der Fabrikanten sich auswirkte.

Der Geschäftsgang seit 1923 war meistens wechselseitig, 1924 war er noch einigermaßen gut, dagegen haben 1925 die Meisten den Fehler gemacht, dass sie zu billig verkauften. Ab 1926 waren die Absatzmöglichkeiten und Preise so unrentabel, dass vielfach umfangreiche Betriebseinschränkungen stattfanden und so die Betriebe belastet durch Steuern und soziale Abgaben, immer mehr beengten, so dass, wenn nicht bald eine Besserung eintritt, diese Umstände vielfach sich verhängnisvoll auswirken müssen.